Von Daniel J. Schüz, der mit Nicole das Buch "Ich schwimme ins Leben" verfasst hat


Liebe unvergessene Nicole

Am Ende sind Deine kindliche Neugier, Dein verzweifelter Mut und buchstäblich blindes Vertrauen die Triebkräfte Deines Lebens gewesen - und Deines Sterbens.

Was ist, wenn man tot ist?
Deine Neugier konzentrierte sich auf die Frage aller Fragen. Die Frage, die jeden von uns durchs Leben begleitet. Die Frage, die keiner beantworten kann. Aber jeder wird eine Antwort bekommen. Jeder seine eigene. Todsicher.

Mit unverbindlichen Antworten hast Du Dich nie zufrieden geben wollen, Du hast so lange nachgebohrt, bis ich Dir die Legende von den atlantischen Delphinen erzählt habe. Es gebe Menschen, habe ich Dir gesagt, die glaubten fest daran, dass die Seelen der Menschen in den Delphinen weiterleben, welche die geheimnisvolle versunkene Stadt Atlantis bevülkern.
Die Seherin hat Dir wenige Tage spüter noch eine andere, sehr konkrete Antwort gegeben. Auf der anderen Seite des Vorhangs, durch den sie Dich hat schauen lassen, würde eine grosse Aufgabe auf Dich warten: Du würdest Dich der Seelen jener Wesen annehmen, die im irdischen Leben als Kind ühnlich haben leiden mässen wie Du. Jetzt aber sei die Zeit noch nicht reif, denn es gäbe noch andere Aufgaben für Dich auf dieser Seite.

Diese beiden Antworten haben Dir so gut gefallen, dass Du den Mut aufgebracht hast, Dich noch einmal fürs Leben zu entscheiden. Statt durch den Vorhang zu gehen, hast Du Dir diese beiden Delphine auf die Fesseln tätowieren lassen. Und dann hast Du mir das wichtigste geschenkt, dass ein Mensch bekommen kann grenzenloses Vertrauen.
So ist das Buch möglich geworden, das Du Dir zur irdischen Aufgabe gemacht hast.

Das Phänomen Borderline-Störung war damals nur den Fachleuten geläufig. Heute ist dieser Zeitgeist-Fluch ein gängiger Begriff, und jeder, der es wissen will, kann erfahren, dass Borderliner an der Lieblosigkeit ihrer Umwelt, an der Oberflächlichkeit dieses Zeitgeistes verzweifeln. Und dass es uns alle angeht, weil diese Menschen mitten unter uns leben. Mit der mutigen und ehrlichen Veröffentlichung Deiner Geschichte hast Du dazu beigetragen, dass viele Menschen weniger einsam, weniger verzweifelt sind. Dafür schulden sie Dir, schulde insbesondere auch ich Dir grossen Dank.

Du hast diese letzte Aufgabe bravourös erfüllt neugierig, mutig, vertrauensvoll. Du hast dafür gesorgt, dass unser Buch zum Bestseller wurde.
Und dann hast Du Dir das Leben nehmen lassen.

Wir wissen nicht mit letzter Gewissheit, was wirklich passiert ist. Ich will es auch gar nicht mehr so genau wissen. Aber es wäre wichtig gewesen, dass der, der Dir die Tür geöffnet hat, Dich persönlich begleitet hätte. Wenn er den Mut gehabt hätte, Dich nicht alleine sterben zu lassen, hättest Du nicht einen Teil des Giftes verschüttet. Die Dosis wäre todsicher gewesen und Du hättest in Deinen letzten Stunden nicht noch einmal kämpfen und so unnötig leiden müssen.

"Ich schwimme ins Leben": Der Titel unseres Buches hat nachträglich eine neue, tiefere Bedeutung bekommen: Du bist hinausgeschwommen, ins andere Leben.
Du bist keine Kampfschwimmerin mehr. Jetzt bist Du eine Delphin-Schwimmerin.

In ewiger Dankbarkeit

Dein Dani-Journi

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